Der Künstler als Avatar

(Avatar=virtuelle Präsenz eines Users in einer Multiuser-Domain; urspr. im Hinduismus Bezeichnung für eine vom Himmel herabgestiegene Gottheit)

Der Künstler als Avatar wurde als Serie von Installationen konzipiert, die untereinander in einem assoziativen Bezug zueinander stehen und in ihrer Gesamtheit als eine Art Comic strip gelesen werden können. Die Installationen wurden zum Teil in realen Räumen und zum Teil in Form von Modellsituationen gebaut. Eine Überwachungskamera videografiert jeweils ein bestimmtes Setting sowie den umliegenden Raum samt Ausstellungsbesuchern. In einem Überwachungsmonitor sieht der/die BetrachterIn sich selbst be im Beobachten einer Szene, die den Künstler als virtuelle Figur in den realen Raum eingerechnet zeigt.

Vergleichbar einem Maler, der seine Welten in Form von Bildern auf die Leinwand überträgt, projiziert Thomas Feuerstein Weltbilder in den Künstler. Die Welt wird dabei nicht als Anschauungsobjekt vom Künstler in seiner Kunst repräsentiert, sondern der Künstler selbst wird zum Objekt seiner Kunst. Der Künstler schafft sich dadurch ein Double, einen künstlichen Künstler, der ihm die Bearbeitung ambivalenter Phänomene unserer Zeit erlaubt. Diese Arbeitsmethodik verweist auf eine Technisierung von Welt, di e am Ende des 20. Jh. uns diese zu einer Oberfläche transformiert darstellt, auf der alle Objekte, egal ob es sich um Tische, Autos, ganze Städte oder Lebewesen handelt, als Texturen lesbar und encodierbar erscheinen. Wissenschaft, Technik und Industrie programmieren unsere alltäglichen Lebenszusammenhänge, dechiffrieren Natur, und erstellen neue Schriften in Form neuer Produkte, womit nach Feuerstein die gesamte Welt zur Weltliteratur geworden ist. Der Subjektbegriff erweist sich hier anhand des Künstler begriffes als in die Krise gekommen: Der Künstler ist zu einer multiplen Persönlichkeit geronnen, in der sich unterschiedlichste Diskursfelder vermengen und aus der häretische Stimmen sprechen. Insofern versteht sich der künstliche Künstler als ein polyvalenter Text, der modellhaft Funktionen und Möglichkeiten des künstlerischen Subjekts im Kontext sozialer Dispositive erkundet. Der künstliche Künstler kann dabei, wie in der Arbeit Tausch des Öffentlichen, mittels eines neuronalen Netzprogramms ein virtueller, elektronischer Agent oder Avatar sein, der an der Nahtstelle von privater Erinnerung und medialem Weltgeschehen operiert, indem er Nachrichtenmeldungen einer Presseagentur online in einen anderen Kontext setzt, interpretiert und zu einem Roman als Chronometer des Gesellschaftlichen verarbeitet. Im Projekt EUGEN-Hire all my Information kann aber auch der genetische Informationswert des Künstlers selbst Gegenstand der künstleri schen Arbeit werden. Anstatt traditionelle Informationen in Form von Bildern oder sonstigen Artefakten in traditionelle Datenbanken wie Bibliothek oder Museum einzuspeisen, schreibt der Künstler seine ureigenste Information, seinen genetischen Text bzw. seine DNS in eine Gen- und Samenbank (California Cryobank) ein. Diese für die an ihre (Milleniums-)Grenze stoßende Nachmoderne symptomatische Hybridisierung imaginärer Entwürfe, symbolischen Denkens und realer Gegebenheiten bildet im Projekt Biophilie einen weiteren Ansatzpunkt, der auf Vermischungen kultureller, mythischer und technologischer Felder rekurriert. Die für die Installationen und Modelle entworfenen "Texte" beziehen sich auf den Zustand des von Diskursen und Informationen durchströmten mediatisierten Individuums. Sie versuchen über die Verwebung einzelner diskursiver Fäden einen Knoten zu bilden, der die Situation des Künstlers als symptomatisch für die zunehmend kontingent erfahrene Welt vorstellt.

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DKA